3 Reviews – Resonant Dowland | Matthias Engelke
Mannheimer Morgen (25.5.2021)
Das Porträt: Der Komponist Matthias Engelke bearbeitet 400 Jahre alte Lautenlieder von John Dowland elektronisch Renaissance im Klanglabor
Mit Matthias Engelke kann man sich über viele Dinge unterhalten. Unter anderem über „post-petrarcistische“ Gedichte, Minnelieder und Miles Davis. Aber auch über Corona: Engelke, ein Komponist und Sounddesigner, der gerade eine Aufnahme von elektronisch überarbeiteten Lautenliedern von John Dowland auf den Markt gebracht hat, hat nämlich Molekularvirologie studiert. Er deutet an, dass er in dieser Pandemie-Zeit ungefähr auf einer Linie mit Karl Lauterbach und Christian Drosten liege. Engelke bedauert, dass die rationale, wissenschaftliche Betrachtungsweise in der öffentlichen Diskussion oft einen schweren Stand habe. Beim Telefongespräch mit ihm fällt die Verständigung indessen leicht: „Dann doch lieber über John Dowland reden.“ Engelkes CD basiert auf der Musik zu einer schon 2013 aufgeführten Tanztheaterproduktion, auch wenn sie später für die Tonaufnahme substanziell verändert wurde. […]
Eva-Maria Magel | FAZ (21.1.2021 – FRANKFURT)
Steht dieses lyrische Ich in einer alten Fabrikhalle? So klingt es, wenn die betörende Stimme „Flow My Tears“ intoniert. Hier ein Schaben, dort ein leichter Hall, hier so etwas wie ein zerborstenes Fenster. Der einsame Sänger aus dem frühen 17. Jahrhundert, eine geniale Inszenierung des höfischen Frühbarock, scheint in einem Eisenwerk des frühen 20. Jahrhunderts zu stehen, während die Relikte der Industrie leise vor sich hin knarren. Es sind vor allem die Orte der Moderne, bisweilen aber auch Natur, die John Dowlands berühmte Lieder sanft in unsere Gegenwart heben. Die Betonung liegt auf sanft. Denn es mag hier mal krachen und dort knarren, es gibt auch zackige Beats. Aber am Wohlklang dieser fast ätherischen Stimme rührt fast nichts. „Resonant Dowland. Songs for Tenor and Electronics“ nennt Matthias Engelke sein Solo-Debüt, soeben als CD erschienen beim für experimentelle Tonkunst bekannten Hanauer Label Gruenrekorder und auf Downloadplattformen erhältlich. […]
Bernd Feuchtner | Fono-Forum (Ausgabe 06/2021)
Resonant Dowland. Dowland/Engelke: Songs For Tenor And Electronics (2020); Gruenrekorder – John Dowlands Lautenlieder sind beliebt und wunderschön. Doch schon im Elisabethanischen Zeitalter galt der Prophet nichts im eigenen Land. Dowland verbrachte die meiste seiner produktiven Zeit an kontinentalen Höfen. Die von Elisabeth verweigerte Stelle des Hoflautenisten erhielt er erst von James I. Es waren vor allem Percy Grainger und Benjamin Britten, die ihn mit ihren Bearbeitungen wieder bekannt machten, und der Counter-Pionier Alfred Deller nahm Dowland-Songs auf Platte auf. Die Lieder haben ihren eigenen Zauber, für den die jugendliche, schöne und ausdrucksstarke Tenorstimme von Matthias Engelke wie geschaffen scheint. Vor allem aber hat Engelke zwölf Dowland- Songs in seine eigene, moderne Musikwelt gezogen. Er begegnet ihnen mit Respekt, verwandelt sie sich aber an und ersetzt die Laute mit heutiger zartfarbener Elektronik. Sanft sind Melodie und Timbre, aber sie halten den elektronischen Klängen mühelos stand. […]