Louis Sarno

 

Louis Sarno
geboren 1954 in New Jersey, genießt als Musikologe weltweite Anerkennung. Sein beeindrucken des Lebenswerk umfasst weit über 1000 Stunden Aufnahmen von Gesängen und Musikstücken, die bei den Bayaka oft bereits verschwunden sind. Sarno gehört zu den frühen Meistern der „akustischen Ökologie”, die sich auf die Suche nach sogenannten soundscapes machen, erhaltenswerten Klängen der Welt. Seine Aufnahmen sind archiviert in der Bibliothek des Pitt Rivers Museums der University of Oxford.
Schon als Kind schlägt Louis Sarnos Herz für die Musik. Von seinem Taschengeld kauft er Platten von Bach, Beethoven, Schubert und Mahler. Am College studiert er Englisch und Literatur und teilt seine Leidenschaft für experimentelle Musik mit seinem Zimmergenossen Jim Jarmusch, dessen Filme Dead Man (1995) und Ghost Dog (1999) später von Sarnos außergewöhnlichem Lebensweg inspiriert werden.
Ende der Siebzigerjahre heiratet Sarno eine Holländerin und zieht nach Amsterdam. Die Ehe hält nicht. In einer Winternacht Mitte der Achtzigerjahre hört er im holländischen Radio eine Musik, wie er sie nie zuvor vernommen hat: „Ein polyphones Geflecht aus Frauenstimmen, raffinierte Jodellaute, eine sich endlos wiederholende auf- und abschwellende Melodie. Diese fremdartigen Harmonien machten mir Gänsehaut, sie wirkten hypnotisch auf mich – pure Magie.“
Der Gesang aus dem Radio lässt Sarno keine Ruhe. Er forscht nach, findet heraus, dass er Pygmäenmusik gehört hat – und steigt mit seinem Aufnahmegerät und den letzten 500 Dollar in der Tasche in ein Flugzeug nach Bangui, Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik.
„Ich wurde von einem Lied ins Herz von Afrika gelockt“, schreibt Sarno in seinem Buch Der Gesang des Waldes. Louis findet seine Musik in den Regenwäldern des Kongobeckens. Bei den Bayaka. Das war 1985. Heute, mehr als ein Vierteljahrhundert später, lebt er noch immer unter den Pygmäen: „Sie führten mich in ihre Musik ein, im Gegenzug verlangten sie mein Leben. Ich denke, das ist ein fairer Tausch.“
Schon bald nach seiner Ankunft bei den Bayaka geht Sarno das Geld aus. Wochenlang füttern ihn die Jäger und Sammler mit gekochten Kaulquappen, die wie Schlamm schmecken, während sie ihr geröstetes Stachelschwein und die in Blut gekochten Antilopen-Innereien heimlich selbst verspeisen. Doch Sarno reist nicht ab. Und so erschließen sich ihm ganz allmählich immer neue Lebenskreise der Bayaka: nächtliche Gesangs- und Tanzrituale zu Geburt, Initiation und Tod, die Beschwörung der Waldgeister, die Jagd, die komplexen Hierarchien und Verwandtschaftsbeziehungen. Er spürt, dass er keine Wahl mehr hat: Er muss bleiben.
Wie besessen zeichnet Sarno die Musik der Bayaka auf. Tuning the world – die Welt einstellen, sie stimmen wie ein Klavier. Irgendwann geht sein Rekorder kaputt. Er kauft sich keinen neuen. Zuerst aus Geldmangel. Dann braucht er keinen mehr. Denn als er aufhört, die fremde Welt mit seinen Aufnahmen bannen zu wollen, geht er vollends in ihr auf. „Die längste Zeit meines Lebens habe ich bei den Bayaka verbracht“, sagt Sarno heute. „Sie sind meine Familie, der Regenwald ist mein Zuhause.“

 

Gruenrekorder:
SELECTED RECORDINGS OF BAYAKA MUSIC BY LOUIS SARNO: „SONG FROM THE FOREST: THE SOUNDTRACK“ (Gruen 150/14)